Von Karl Buchgraber, Gumpenstein

1. Einleitung

Die Mongolei besitzt unendlich viele Weideflächen, die bisher von den Nomaden extrem extensiv mit ihrem Vieh genutzt wurden. In den Sommermonaten werden diese Flächen in den Ebenen mit Schafen, Ziegen, Pferden, Yaks, Kamelen und Rindern großteils aufgrund der hohen Tierzahlen und permanenter Weidehaltung übernutzt. Seit Jahrhunderten wird auch nur beweidet, allerdings weder gedüngt (keine Nährstoffzufuhr),  noch wird der Pflanzenbestand gepflegt oder verbessert. Dadurch stellte sich ein geringer Futterertrag mit geringen Futterqualitäten ein, der vor allem in den „acht Wintermonaten“ ohne Vorratshaltung zu einer Unterversorgung der Tiere und zu einem Leistungsabfall führt.

Die ausreichende Versorgung der Bevölkerung insbesondere in Ulaanbaatar mit Milch und Milchprodukten ist nur mit Importen gegeben. Die Provinz Ulaanbaatar besitzt jedoch wunderbare Grünlandflächen, die mit einer verbesserten Landnutzung Mensch und Tier aus eigener Produktion nachhaltig versorgen können. Dazu ist aber eine „neue Landwirtschaft“ erforderlich, wo teilweise die nomadischen Verhältnisse langsam in „bäuerliche“ Strukturen übergeführt werden – z.B. nach dem „Modell Österreich“. Zuerst muss die Aus- und Weiterbildung sowie die Beratung verbessert werden. Danach soll über die verbesserte Bewirtschaftung die Milch- und Fleischleistung pro Fläche erhöht werden.

2. Musterbetrieb und Ausbildung

Da die Milch- und Fleischversorgung in der Hauptstadt Ulaanbaatar zur Zeit sehr stark von Importen abhängig ist, soll auf den Grünlandflächen (Weiden, Bergweiden) mit nachhaltiger und angepasster Kreislaufwirtschaft eine umweltökologisch vertretbare und wirtschaftlich soziale Milch- und Fleischwirtschaft mit bäuerlichen Betrieben begonnen werden. Nach dem Vorbild Österreichs sollen diese bäuerlichen Familienbetriebe in Eigenverantwortung ihre „eigenen“ gepachteten Flächen mit ihrem Vieh bewirtschaften. Sie sollen dabei in diesem Projekt finanzielle und fachliche Unterstützung für öffentliche Infrastruktur (Wege, Strom, Wasser, etc.), für die Haus- und Hofinfrastruktur in der Innen- und Außenmechanisierung sowie in der Verbesserung der Grünlandflächen in ihrem Nährstoffhaushalt und im Aufbau eines leistungsfähigen und ausdauernden Pflanzenbestandes erhalten. Außerdem soll die Aus- und Weiterbildung für Land- und Forstwirtschaft für angehende Praktiker in einer „Winterschule“ bzw. mit Seminaren und Kursen deutlich verbessert werden. Es soll ein „Musterbetrieb“ mit Schule und Beratung entstehen. Es sollten auch besonders begabte und fähige landwirtschaftliche „Facharbeiter“ bzw. „Landwirtschaftsmeister“ auf Auslandspraktika geschickt werden. Der Erfolg dieses Projektes wird im Aufbau einer „neuen“ Landwirtschaft mit deutlich besserer Milch- und Fleischerzeugung über das gesamte Jahr gesehen. Es soll damit in diesen Bereichen die absolute Eigenversorgung für die Hauptstadt Ulaanbaatar sichergestellt werden. Außerdem soll in diesem Projekt eine dem Naturschutz und dem Tierschutz angepasste Grünlandwirtschaft mit großer Vorbildwirkung auf die Mongolei entstehen. 

3. Ausgangslage

Die Hauptstadt Ulaanbaatar mit rund 420.000 ha Fläche, 320.000 Tieren (Schafe, Ziegen, Pferde und Rinder) und rund 1,6 Mill. Bewohnern muss zur Deckung ihres Milch- bzw. Milchproduktebedarfs rund die Hälfte davon importieren. Rund 98% der landwirtschaftlichen Nutzfläche bestehen aus Grünlandflächen (Weiden, Wiesen und Bergweiden). Die Hauptressource für nachwachsende Rohstoffe ist also Dauergrünland, welches von den Wiederkäuern zu Milch und Fleisch „veredelt“ werden kann.

Derzeit wird dieses Dauergrünland, welches über 1.000 m Seehöhe liegt, zu über 90% in den 3-4 Sommermonaten von den Tieren beweidet. Da die Tiere über das freie Land ziehen, bleiben keine wesentlichen Futterreserven für die übrigen acht Wintermonate. Viele Flächen bleiben aber auch vollkommen ungenutzt, das Futter bleibt ungemäht stehen. Es herrscht kein gezieltes Weidemanagement – jeder der „Nomaden“ treibt seine Tiere normalerweise zu den besten Weideflächen im Tal – und somit gibt es auch keine gezielte Wiesenbewirtschaftung für die Mahd von Winterfutter. Die geringfügige Heubereitung findet bei schlechten Futterqualitäten statt, wobei der Schnitttermin Mitte bis Ende August liegt, von einer Futterkonservierung in Richtung Grassilage ist weder in der Praxis noch auf der Hochschule für Agrarwirtschaft etwas bekannt. In den Sommermonaten werden von den guten Milchkühen zwischen 5 und 8 Liter pro Tag und Kuh per Hand gemolken. Der Tierbestand an Kühen erscheint erfreulicherweise sehr gut und angepasst zu sein; es kommen die Rassen Fleckvieh, Braunvieh, Holstein und alle Kreuzungen davon vor. In den Wintermonaten, wo Getreideabfälle, Biertreber und schlechtes Heu zur Erhaltung der Tiere verfüttert werden, fällt der Milchertrag oft um 70-100% ab. Würden die Kühe bei gutem Weidemanagement mit guten Futterkonserven (Heu und Grassilage) über das Jahr versorgt werden, so könnte der momentane Milchertrag von rund 1.000 l/Kuh und Laktation auf rund 2.000 l gesteigert werden. Mit der Futterkonservierung könnte, vor allem auch in den Wintermonaten, die nötige Milch für die Molkereien geliefert werden. 

Futter aus dem mongolischen Grünland
Die Grünlandressourcen der Mongolei sind von der Fläche her großartig. Mit einer gezielten Bewirtschaftung sollte das nötige Futter mit guter Qualität für eine gute ganzjährige Versorgung der Tiere bereitgestellt werden können. Damit könnten auch die wirtschaftlichen und für die Erfordernisse des Marktes notwendigen Milchleistungen erzielt werden. Derzeit werden auf den besten Talflächen rund 600 l Milch/ha über die Kühe erreicht, künftig sollten pro Hektar besten Grünlandes aber durchschnittlich 1.500 l möglich sein.

Sommerweide der Schafhalter in der Nordmongolei (Foto © F. Greif, Juli 2014)

Derzeit gehen viele Tierherden (Schafe, Ziegen und Rinder) auf den besten Talflächen auf Nahrungssuche. Dadurch werden die Grasbestände ohne Ruhepause permanent niedergefressen. Es müssen daher die Schafe, Ziegen und auch das Jungvieh auf die Bergweiden geschickt werden. Die besten Bonitäten in den Tallagen sollten für die Winterfutterbereitung reserviert bleiben.

Derzeit bekommen die Flächen nur über den Weidegang in den 3-4 Sommermonaten Nährstoffe zugeführt. In den restlichen 8-9 Monaten wird der Mist lediglich gesammelt und als solcher verheizt oder vor den Dörfern bzw. Winterställen abgelagert, ohne ihn als Dünger im Kreislauf einzusetzen. Es findet de facto keine Nährstoffversorgung der Flächen statt, daher liegen die Futtererträge bei den besten Flächen bei 600-1.000 kg TM/ha1, und in den Berglagen bewegen sie sich bei durchschnittlich 50 kg TM/ha.

Würden die Exkremente an Gülle (Kot und Harn) oder Stallmist und Jauche in den Wintermonaten vollständig in den Stallungen gesammelt, so könnte der Futterertrag in den besten Tallagen auf rund 2.000 kg TM/ha verbessert werden. Und es sind auch die Stallungen, auch die Milchgewinnung (erfolgt bisher überwiegend händisch) und die Milchlagerung (bislang ohne echt funktionierende Kühlsysteme) zu verbessern, damit auch die Hygiene einen gewissen Standard bekommen kann.

Die Ausbildung, aber auch die Weiterbildung und Beratung in der Landwirtschaft sind für die Viehhalter nahezu nicht vorhanden. Das sicher vorhandene universitäre Wissen kommt bei den Grünland- und Viehbauern nur in geringem Ausmaß an. Hier muss unbedingt ein Schwerpunkt gesetzt werden, wenn man diese negative Situation  verbessern will. Auch sind Techniken für die Ernte, die Düngerausbringung, für  Pflege und Verbesserung des Grünlandes sowie für Futterkonservierung nahezu nicht vorhanden. Hier sollten behutsam neue Kenntnisse über sogenannte „Maschinenringe“ eingeführt werden, wobei vorhandene Kooperativen nützlich sein können. 

Es wird keine industrielle Landwirtschaft mit Großbetrieben und Hochleistungstieren angestrebt, sondern bäuerliche Betriebe mit Kreislaufwirtschaft und Futterproduktion für die Tiere das ganze Jahr über, auf Grundlage der vorhandenen Grünlandressourcen. 

Anderseits wird in der Mongolei auch die Erneuerung der Ackerbauproduktion, die in der Zeit des Sozialismus durchaus erfolgreich betrieben wurde, seit wenigen Jahren wieder forciert. Flächen dazu sind ja grundsätzlich vorhanden und die potentiellen Erträge z.B. aus Getreide-, Kartoffel- oder Leguminosenanbau rechtfertigen derartige Produktionsweisen voll und ganz.  

Vor allem in der durch etwas mehr Niederschläge begünstigten Nordmongolei werden Ackerflächen in einer Art „Zweifelderwirtschaft“ genutzt – zur Regeneration der Böden, teils auch, um durch Bewuchs auf Brachflächen den Bodenabtrag durch Winderosion zu verringern (Foto © F. Greif, Juni 2013).

4. Umsetzung 

Mehr Wissen um die Leistungssteigerung aus dem Dauergrünland wird die Viehwirt-schaft und insbesondere die Milchwirtschaft stark beleben und auf ein neues Niveau heben. Als begleitende Maßnahmen für Bauern wird ein öffentlicher Förderungsanreiz für Stallbau, Melkeinrichtungen, Düngung sowie Futterkonservierung notwendig sein, damit die Bauern bei den Investitionen eine finanzielle Unterstützung erfahren. Dieses finanzielle Maßnahmenpaket für Investitionen in der Landwirtschaft wird Arbeits-plätze in den ländlichen Regionen schaffen. Es wird geraten, diesen Prozess eher langsam zu starten, damit die Bauern in diese „neue bäuerliche Landwirtschaft“ hineinwachsen können. In 3 bis 5 Jahren schon kann ein spürbarer Erfolg in der Milchversorgung und der Gesamtbewirtschaftung der Grünlandflächen erkennbar sein. 

Graphik 1: Ausbildung und Entwicklungsschritte auf Wiesen und Weiden unter dem Aspekt „Naturschutz“
Betriebliche Neuorganisation der mongolischen Weidewirtschaft
Damit eine echte bäuerliche Bewirtschaftung stattfinden kann, braucht es eine Zuordnung von Wirtschaftsflächen zu den Betrieben. Diese sollte nach dem derzeitigen Viehbestand, und zwar der jeweiligen Tierkategorie angepasst, erfolgen. Eine planmäßige Zuordnung von Flächen sollte spezifisch je nach Standort, Futterpotential der Flächen und Bedarfs der Tierart erfolgen. Es ist damit zu rechnen, dass mit dem Grad der Eigenverantwortung auch die Effizienz der Bewirtschaftung entsprechend zunimmt. 

Die Mongolei hat ein hohes Potenzial in der Fläche, ist aber von der Vegetationsdauer (ca. 120 Tage, d.i. vergleichbar mit den  Bedingungen österreichischer Almbetriebe), den Niederschlägen (ca. 400 mm als regionales Maximum) und den extrem kalten Wintermonaten eingeschränkt. Daher braucht es einen Wissensfortschritt – im Sinne einer entschlossenen Aus- und Weiterbildung – sowie auch Vorzeigebetriebe (wie der des Modellbetriebs der Stadtverwaltung von Ulaanbaatar im Nariin Am), damit die nomadische Landwirtschaft des Landes sich vom Niveau des Nomadentums hin zu leistungsfähigen bäuerlichen Betrieben entwickelt kann.

Univ.-Doz. Dr. Karl Buchgraber war wissenschaftlicher Leiter des Institutes für Pflanzenbau und Kulturlandschaft am Lehr- und Forschungszentrum (LFZ) Raumberg-Gumpenstein (gehört zum BMNT) in Österreich. Er wurde 1955 als Bauernsohn geboren und hat seine wissenschaft-lichen Erkenntnisse immer zum Wohle der Landwirtschaft eingesetzt. Der bäuerlichen Landwirtschaft, dem nach-haltigsten Bewirtschaftungssystem in Berglagen, gilt seine besondere Aufmerksamkeit. Doz. Buchgraber unterrichtet an drei Universitäten in Wien und Bozen und gibt sein Wissen bevorzugt an die Bauern und an die bäuerliche Jugend in Österreich weiter, sei es in Kursen, Seminaren und Feldtagen, jeweils mit großer Beteiligung. Dr. Buchgraber verfügt auch über besondere Erfahrung bei internationalen Projekten. Er war 2014 in der Mongolei und begleitet seither das Projekt in der Provinz Ulaanbaatar.

  1. Trockenmasse je Hektar []