Von Franz Greif, Wien

1. Hirtennomadismus als sozialwirtschaftlicher Ausgangspunkt 

Die Sozialgeographie sieht in der nomadischen Viehwirtschaft keine selbständige Stufe der Kulturentwicklung, sondern einen Seitenzweig des Ackerbaus, der sich aufgrund ökologischer Bedingungen in vielen Teilen der Welt herausgebildet hat. Als Indiz dafür wird die Unselbständigkeit dieser Lebensform genannt, sowie der überall erforderliche Zuschuß von Nahrungsmitteln aus bäuerlicher Produktion. Auch die Übergangsformen zwischen diesen Gruppen und auch Formen der Kooperation von Getreidebauern und nomadischen Viehhaltern zeigen die Gleichzeitigkeit ihres Bestehens, auch ihre Verbreitungsgebiete fallen weithin zusammen, und auch ihre Viehbestände sind identisch, manchmal sogar austauschbar. 

Vor allem zwei der Übergangsformen belegen diese Sicht, nämlich die sogenannte Transhumanz der Gebirge und der Halb- oder Saisonnomadismus des Steppenrandes, an denen zwar die grosse Mehrheit der Bevölkerung teilnimmt, aber nur während eines Teils des Jahres (Sommer oder Winter) mit den Herden wandert. 

Erklärbar ist die Entwicklung des Hirtennomadismus einerseits aus dem Vorhandensein ausgedehnter Weidegebiete, die lediglich saisonweise nutzbar sind und für dauernde Besiedlung nicht geeignet sind. Doch es ist auch ein doppeltes Wirtschaftsinteresse reicher Getreidebauern, sich „nomadischer Dienste“ zu bedienen, um Weidevieh von ihren Feldern fernzuhalten. Hierauf geht wohl auch die kulturgeschichtliche Tatsache zurück, dass solche Bauern verhältnismässig leicht und kurzfristig das Produktionsziel vom Anbau auf Viehhaltung (und umgekehrt) verändern können. Ein Wechselspiel zwischen Nomadisierung und Sesshaftwerdung ganzer Bevölkerungen dürfte in der Geschichte der Trockenräume Eurasiens (und Afrikas) eine große Rolle gespielt haben. 

Die Ausbildung des Hirtennomadismus durch Ausgliederung aus der viehhaltenden Getreidebaukultur des Vorderen Orients hat mit ihrer Ausweitung auf benachbarte Naturräume natürlich wesentliche Abwandlungen erfahren. Während es ursprünglich wohl nur um Kleinvieh (Ziegen, Schafe, Esel als Transporttiere) ging, kam später in den dazu geeigneten Gebieten (Savannen und andere ganzjährige Naturweiden) das Rind hinzu, in den eurasischen Steppen aber auch das Pferd, und in den heissen Wüsten das Kamel. 

Bei den Hirtengesellschaften bringt es die geringe Bindung an den Boden mit sich, dass die familiale Sippen-Stammesordnung mehr oder weniger alles beherrscht und sowohl die wirtschaftlichen als auch die politischen Einheiten von ihr abhängen. So ist die Grundlage der im Nomadenmilieu gesellschaftlich wirksamen Kräfte etwas weitgehend anderes, als bei den grundbesitzenden und damit materiell wesentlich besser gesicherten Sippenbauern. Zugleich ist ein so begründetes Sozialgefühl weitaus offener gegenüber Veränderungen, es wird etwa auch die Aufnahme Fremder nicht ausschließen, und es ermöglicht auch viele wechselnde Konföderationen der verschiedenen Stämme. Die „eigentliche“  Verwandtschaft der Gruppen wirkt also häufig oft mehr fiktiv und nicht tatsächlich. Als Ergebnis finden wir demnach vielfach andere Vorstellungen von der Sicherung der Existenz der eigenen Sippe, denn diese wird von Nomaden ganz sicher weitaus stärker im Streben nach räumlicher Ausbreitung und damit Vermehrung des benutzbaren Weideterritoriums gesehen. 

2. Das „polemische Potential“ der Reiternomaden Mittelasiens

Unter den Hauptstufen der Gesellschafts- und Wirtschaftsentfaltung der Menschheit gilt der Hirtennomadismus nur als ein Seitenzweig der Gesellschaft von Sippenbauern. Ihre Besonderheit unter den Viehhaltergruppen besteht allerdings in der Tatsache, dass sie beritten sind und daher in einem wesentlich größeren Raum wirksam werden können. Abhängig vom jeweils bevorzugten Reit- oder Transporttier kommt es dabei quasi zwangsläufig zu einer Spezialisierung der ökonomischen und/oder politischen Ziele, von denen der Handel mit Tieren, die Transportwirtschaft und schließlich auch das Streben nach Territorialherrschaft wohl für alle Gruppen die interessantesten sind. Die Zähmung des Pferdes hat insbesondere letztere sehr begünstigt, da sowohl die Ausbreitung als auch die Sicherung der Herrschaft nur durch die möglichst schnelle und effiziente Überwindung von Entfernungen wirksam werden können. Die spezifische Geomorphologie des innerasiatischen Großraums bot (und bietet) dazu überdies Gelegenheit zur schnellen Überwindung von Entfernungen in einem wahrhaft riesigen Raum von Steppen, in welchem der Raumüberwindung nur wenige Hindernisse entgegentreten. 

Die sozialstrukturelle Basis bildet ein Zusammenschluss patrilinearer Verwandschaft, die sich von einem gemeinsamen väterlichen Vorfahren ableitet. Die Gesellschaft der mongolischen Nomadenstämme war schon in alter Zeit in einem Clansystem strukturiert. In einer hierarchischen Gliederung von Stämmen und Clans, Fürsten, Freien, Leibeigenen und Haussklaven war die Struktur der Gesellschaft angelegt; sie existierte (wenigstens bei den Nomaden der Steppe) auch als politische Einheit, solange das mongolische Großreich bestand. An der Spitze eines „Uls“ (d.i. die Bezeichnung einer territorialen Stammesgliederung, heute gleichbedeutend mit „Staat“) standen die Khane. Ihre Machtansprüche leiteten sie aus ihrer Abstammung her, die sie auf das Geschlecht der Tschinggisiden zurückführten. Jeder Uls war in mehrere Banner (khoshuu, evtl. vergleichbar mit Lehenseinheiten) unterteilt, die von rangmäßig untergeordneten Adeligen regiert wurden.  

Die aristokratischen Positionen waren erblich. Persönliche Abhängigkeitsverhältnisse sowie auch Abgaben- und Dienstverpflichtungen legen nahe, von einem „nomadischen Feudalismus“ zu sprechen, wiewohl die Unterschiede etwa zu „unserem“ Feudalismus sehr deutlich sind. Denn die Stammeschefs und Fürsten übten wohl die Kontrolle über die Zuweisung der Weidegebiete aus, und sie beanspruchten auch die günstigsten Weideflächen für ihre Herden, es hatten jedoch alle Untertanen Zugang zu Weideland, zu Jagd und Holznutzung – ein kollektiver Nutzungsgedanke, der bis zum heutigen Zeitpunkt erhalten blieb. 

In den so strukturierten mongolischen Nomadengruppen herrschte jedoch – offenbar vom Anbeginn bis heute – eine überaus große Bereitschaft zu Auseinandersetzungen auf allen Ebenen, die mit den andererseits sehr eindrucksvollen und durchaus modern anmutenden Sozial- und Verhaltensregeln der Nomaden in krassem Gegensatz stehen. Man gewinnt den Eindruck, als hätte sich bei den Mongolenstämmen eine „Polemische Potenz als herrschaftspolitisches Prinzip“ herausgebildet, was beim Zusammentreffen mit Krisensituationen (Kriegs- oder Notzeiten) u.U. zu extremen Ereignissen geführt haben mag, was den lange Zeit vorwiegend als brutal geschilderten Ruf der Mongolen (oder Tartaren, etc.) begründet haben dürfte.  

Sicherlich ist dies auch im Zusammenhang mit der naturreligiösen Weltsicht der    Mongolen zu sehen, für die eine Welt erschaffen wurde, die zu erobern sie beauftragt sind, doch nicht nur, um sie zu beherrschen, sondern auch, um sie zu befrieden. Es ist dies der eigentliche Grundsatz des angestrebten Zustandes einer „Pax mongolica“, die man, leider fälschlicherweise, gerne mit der „Pax romana“ vergleicht, die aber wenig miteinander zu tun haben. Dies ändert allerdings auch nichts an der Tatsache, dass Temudschin1 mit der Gesetzessammlung der „Yassa“ eine eindrucksvolle rechtliche Grundlage schaffen ließ, die nicht nur soziale, wirtschaftliche und nachbarschaftliche Prinzipien hochhält, sondern vor allem auch den Schutz von Natur und Umwelt, eben des Lebensraums der Nomaden.   

Eines kommt hier noch hinzu, nämlich die Tatsache spezialisierter Kenntnisse und Fertigkeiten, die die Mongolen beim Umgang mit Tieren (und neben diesem) schon sehr früh entwickelten. Dazu gehört etwa die Erfindung des Steigbügels oder von durchschlagskräftigen Pfeilen, was Kenntnisse in Metallurgie und Schmiedehandwerk voraussetzt. Weiters gab es findige physikalische (evtl. auch ballistische) Überlegungen, die zur Herstellung eines Bogens aus immer besseren Materialien (v.a. unter Verwendung von Horn und Tiersehnen) führten, und letztlich eben zur Entwicklung des sogenannten Reflexbogens in Kompositbauweise. Freilich waren es nicht unsere „heutigen“ Mongolen, denen dies gelang, wohl aber deren Vorfahren, zu denen auch die Skythen gehörten, deren Lebensraum sich von Osteuropa bis Mittelasien erstreckte. Jedenfalls hätten ohne solche (und noch weitere) „mongolische Erfindungen“ kaum überlegene mongolische Kampfmethoden entwickelt werden können, die in kürzester Zeit jene Eroberungen möglich machten, wie sie im 13. Jahrhundert stattfanden. 

3. Acht Jahrhunderte „Machtverhältnisse der Extreme“2

Mit den Siedlungsgebieten der Mongolen, die chinesische Quellen des frühen 12. Jahrhunderts erstmals erwähnen, wurde eine Stammeseinheit in der Waldsteppe zwischen den Flüssen Onon und Kherlen bezeichnet, die im Osten des Khentii-Gebirges lokalisiert war. In den angrenzenden Steppenregionen lebten zur gleichen Zeit die „Steppenbewohner“ (z.B.) der Naiman, Kereit, Tatar und Onggut. In der nördlichen Taiga in der Umgebung des Baikalsees siedelten dagegen die „Waldbewohner“ der Oiraten, Merkit und Buriaten (u.a.). Es gelang Tschinggis Khan, sie unter seiner Führung zusammenzufassen und seine Herrschaft erheblich auszudehnen, nachdem ihm die Unterwerfung mehrerer nordchinesischer und auch innerasiatischer Herrschaftsgebiete gelungen war. Seine Nachkommen und Nachfolger setzten die Eroberungen fort; die größte Ausdehnung erreichte das Mongolenreich unter Khubilai Khan in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als es als größtes Weltreich der Geschichte weite Teile der eurasischen Landmasse zwischen Schwarzem Meer in Osteuropa und den Küsten am Ochotskischen und Chinesischen Meer umfasste.  

Temudschins Einigungswerk nahm seinen Ausgang in einem kleinen Umfeld, war jedoch aufgrund seiner sozialen und militärischen Reformen nicht nur erstaunlich erfolgreich, sondern insbesondere territorialpolitisch enorm effizient. Die mongolischen Eroberungskriege profitierten ganz besonders von einer Gesellschaftsreform, die Tschinggis Khan um 1190 durchführte. Vor dieser Reform kämpften die Mongolen nach Stammes- und Clanzugehörigkeit getrennt. Die Führung der Truppen erfolgte durch eine Adelsschicht, die stark herkunftshierarchisch gegliedert war. Primärer Zweck der ständigen Überfälle und Kämpfe war damals das Erlangen von Beute, die jedoch ohne feste Regeln verteilt wurde, also jeder selbst dafür verantwortlich war, wollte er etwas erhalten. So lagen die verschiedenen Stämme der Mongolen nach dem Niedergang des Ersten Mongolenreiches in ständigen Konflikten untereinander, ja es herrschten an „Anomie“ grenzende Zustände, da der soziale Zusammenhalt sicherlich auch durch die Reformen tief erschüttert worden war.  

Mit der Vereinigung der Stämme durch Dschingis Khan entstand nun nach heftigen Kämpfen gegen die Vertreter der Adelsschicht ein straff zentralisierter Staat, der als oberstes Ziel der Kämpfe den vollständigen Sieg über den Feind anstrebte. Sodann gehörte die gesamte Kriegsbeute zunächst einmal Tschinggis Khan selbst, der sie je nach erbrachter militärischer Leistung an seine Gefolgsleute verteilte, unabhängig von der Abstammung oder Herkunft. Weiters waren in dem neu geschaffenen Staat anfangs Armee und Volk identisch. Die Aufstellung der Einheiten richtete sich nicht mehr nach Stammes- oder Clanzugehörigkeit, lediglich vertrauenswürdige Männer durften ihren unmittelbaren Stammesanhang behalten. Stellung und Rang wurden ausschließlich über militärische Leistung festgelegt, mit Ausnahme der Familie Tschinggis Khans selbst, die als einzige weiter herkunftshierarchisch gegliedert blieb. Durch das neue System wurde die Unabhängigkeit der Sippen und ihrer Führer (Noyon oder Bahadur) im Kriegsfall deutlich eingeschränkt, was entscheidende strategische Folgen hatte, und es konnten auch neue Truppenteile, auch von fremden Völkern, wesentlich leichter eingegliedert werden und diese dadurch auch in die Nation einbezogen werden. 

Temudschins Mongolenstaat nahm 1206 seinen Anfang, existiert jedoch nur 54 Jahre, nämlich bis zur Herrschaft Kubilai Khan’s als dem ersten Chinesischen Kaiser der Yuan-Dynastie. Danach existiert ein Reichsverband, bestehend aus den vier (territorial gleichfalls riesigen) Herrschaftsteilen der Yuan, Tschiggetai, Ilkhane und der Goldenen Horde weiter. 

In dieser Aufteilung verblieben die eroberten Gebiete nach Tschinggis Khan‘s Tod, unter seinen Söhnen aufgeteilt, zunächst in einem Reichsverband unter einem Großkhan. Spätestens seit dem Amtsantritt Khubilai Khans aber – er regierte von 1260 bis 1294, ab 1271 auch als erster chinesischer Kaiser der Yuan-Dynastie – überwogen die zentrifugalen Kräfte. Dazu trug sicherlich auch die Verlegung der Reichshauptstadt nach Peking bei, mit welcher dort die Yuan-Dynastie begann. In den Teilreichen bestanden zwar weiterhin (für unterschiedliche Dauer) mongolische Dynastien, doch hatte das Gesamtreich aufgehört, als Einheit zu existieren. Und es dauerte nicht länger als ein Menschenleben, bis der Sturz des letzten Yuan-Kaisers im Jahr 1368 auch die Regentschaft der Mongolen in China beendete. Was folgte, sind mehr als 300 Jahre feudale Zersplitterung und Streit. In dieser Zeit gelang es keinem der in der Mongolei doch zahlreichen Nachfahren Temudschins, die auch „Tschinggisiden“ genannt werden, eine längerfristige Herrschaft über alle Mongolen zu errichten. 

Der Verfall der Großkhanate beginnt quasi mit dem Ende der Yuan-Epoche, zu der sich drastische Folgen des Rückfalls in „alte“ Zeiten ergeben: Bereits 1636 werden 49 mongolische Fürstentümer „mandschurisch“. Ihre Territorien bilden heute die sogenannte „Innere Mongolei“, welche in den bis heute folgenden Jahrhunderten von hunderttausenden Chinesen besiedelt und wirtschaftlich erschlossen wird. Bei den unabhängig gebliebenen Mongolenstämmen dauern die Kämpfe um die Vormachtstellung zwischen unterschiedlichen Gruppen weiter an. Erst mit der Unterwerfung der „Ostmongolen“ (heute die „Äußere Mongolei“) unter die Souzeränität3 des mandschurischen Kaisers der Qing-Dynastie endeten auch diese Auseinandersetzungen; dies erfolgte 1691 aus Angst vor den Westmongolen („Oiraten“ der Dsungarei), die in ihr Gebiet eingefallen waren.  

Nach 220 Jahren mandschurischer Herrschaft wird nun zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederum die Unabhängigkeit von China angestrebt. Hierzu haben auch kontinental-politisch motivierte Einflüsse großer, v.a. europäischer Mächte beigetragen, an vorderster Stelle wohl des russischen Zarenreichs, und natürlich auch der auf dieses folgenden Sowjetunion.  

4. Der Weg der Mongolei ins 20. Jahrhundert 

Die Mongolei stand zu Beginn des 20. Jahrhunderts seit mehr als 200 Jahren unter chinesischer Herrschaft, und insbesondere die chinesische Handelspolitik beutete das Land aus. Zudem arbeitete Peking umfangreiche Pläne zur weiteren Kolonisierung der Mongolei aus und begann auch mit deren Umsetzung. Eine nationale Bewegung in der Mongolei gegen China war die Folge. Die zaristische Regierung Russlands beschloss daraufhin, diese Bewegung zu unterstützen, die Mongolei von China loszureißen und dem Zarenreich anzugliedern. Zu diesem Zweck wurde 1910 der Aufstand des mongolischen Freischärlers Bair-Toktocho gegen China unterstützt, man förderte seine Überfälle auf die in der Mongolei lebenden Chinesen und die gegen China gerichtete Propaganda, und es wurde ihm Zuflucht auf russischem Gebiet gewährt. Als daraufhin Fürsten und die Geistlichkeit der Mongolei im Sommer 1911 eine Abordnung nach Petersburg schickten, die um ein entsprechendes Eingreifen Russlands ersuchte, wurde dieser Unterstützung und Hilfe zugesagt. 

Noch im Herbst desselben Jahres, in dem die Qing-Dynastie endete und die Revolution in China begann, erklärte Dschendsundumba III., der 8. Bogd Khan und das weltliche und religiöse Oberhaupt des Landes, die Äußere Mongolei für unabhängig von China. Die zaristische Regierung schloß 1912, ein Jahr später, mit der neuen mongolischen Regierung einen Vertrag, mit dem Russland seine Hilfe gegen die Chinesen zusicherte und dafür eine ganze Reihe von Rechten und Vorzügen zuerkannt erhielt.4 Letztlich wurde 1915 von Russland, China und der Äußeren Mongolei der Vertrag von Kjachta unterzeichnet, mit dem die Mongolei eine Teilautonomie erhielt, doch das Ziel des Bogd Khan, die volle Autonomie von Russland und China zu erlangen, wurde nicht erreicht. Die Äußere Mongolei blieb Teil des chinesischen Territoriums, doch China und Russland anerkennen ihre Autonomie in zivilen Belangen oder internationalen Handelsverträgen.  

Diese Autonomie sollte jedoch nicht lange andauern. Mit Beginn der Oktoberrevolution von 1917 fiel Russland als Schutzmacht gegen China aus, das im Herbst 1918 in die Äußere Mongolei einmarschierte. Im November 1919 verzichtete die Äußere Mongolei auf ihre Autonomie, die Nationalchinesen gliederten die Mongolei wieder vollständig in die Republik China ein. Während des Russischen Bürgerkriegs wich 1920 ein Teil der Weißen Armee unter Führung von Roman von Ungern-Sternberg (genannt der „Rote Baron“) in die Äußere Mongolei aus und versuchte, von dort aus die Rote Armee zu bekämpfen. Im März 1921 rief Ungern-Sternberg eine unabhängige mongolische Monarchie aus und setzte den Bogd Khan als Staatsoberhaupt ein. Zur selben Zeit gründeten die kommunistischen Revolutionäre Suchbaatar und Tschoibalsan (in der Sowjetunion) eine Gegenregierung und marschierten im Juli 1921 mit 400 Mann der Mongolischen Revolutionären Volksarmee und 10.000 sowjetischen Soldaten der Roten Armee in die Mongolei ein. Sie besetzten die Hauptstadt Örgöö und riefen erneut die Unabhängigkeit der Äußeren Mongolei aus, diesmal unter kommunistischen Vorzeichen. Ungern-Sternberg wurde an die Sowjetarmee ausgeliefert und hingerichtet. Bogd Khan blieb jedoch formal das Staatsoberhaupt. Erst nach dem Tod dieses letzten Kaisers der Mongolen verabschiedeten die neuen Machthaber am 25. November 1924 eine sozialistische Verfassung, nach der sowjetrussischen die zweite weltweit; zugleich wurde die Mongolische Volksrepublik ein Satellitenstaat der Sowjetunion. 

Die geistliche und politische Führung der Mongolen – am aktivsten das religiöse Oberhaupt, der Bogd Khan – betrieb auch eine Loslösung der Inneren Mongolei von China, aber diese erwies sich als zu fest in China integriert. Bereits 1913/14 wurden auf dem Gebiet der Inneren Mongolei die chinesischen Provinzen Suiyuan, Chahar und Jehol eingerichtet. Mit der Eroberung der Mandschurei durch die Japaner entstand daraus 1931 der Marionettenstaat „Mandschukuo“ und 1932 aus Chahar und Suiyuan eine autonome Region unter einem einheimischen mongolischen Fürsten. Ziel der Japaner war allerdings nicht die Loslösung der Inneren Mongolei von China, sondern die Schwächung dieser jungen Republik.  

Die Kapitulation Japans 1945 hinterließ in der Inneren Mongolei ein Machtvakuum, das zunächst sowjetische, mongolische und kommunistische Einheiten aus der Mandschurei ausfüllten. Zwar war ein Großteil der Mongolen der Inneren Mongolei für einen mit der Äußeren Mongolei vereinigten Staat, doch es verblieb die Innere Mongolei ein Teil Chinas, da die Regierung der Mongolischen Volksrepublik angesichts der großen Han-chinesischen Minderheit auf eine Vereinigung verzichtete. 

Von einer „sozialistischen“ Politik innerstaatlichen Terrors wurde auch die Mongolei erfasst. Mit dem Tod des Bogd Khan im Jahr 1924 übernahm die Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MRVP) die Macht. Vor allem in den 1930er Jahren wurden viele tausend Mongolen politisch verfolgt und liquidiert, die Zahl der Opfer wird mit 35.000 (und mehr) Toten beziffert. Die Zeitgeschichtsforschung spricht heute von mehr als 100.000 Verfolgten, doch dürfte die Zahl sogar noch deutlich höher sein. In einem Land, das in den 1930er Jahren nur etwa 800.000 Einwohner zählte, kann dabei kaum eine Familie verschont geblieben sein. Die Verfolgungen wurden großteils von der Sowjetunion aus gesteuert, die starken Druck auf mongolische Parteikader ausübte.  

Am härtesten traf es wohl die buddhistischen Mönche. Man weiß, dass gegen Ende der 1930er Jahre rund 19.000 Mönche verfolgt und davon 17.000 hingerichtet wurden. Über weitere Opfer ist wenig bis nichts bekannt. Auch Partei- und Regierungsmitglieder, die sogar den politischen Kurs selbst mit zu verantworten hatten, wurden entfernt, ermordet oder verschwanden unter ungeklärten Umständen. Zwischen 1922 und 1990 waren nur acht der 33 Staats- oder Parteichefs der Mongolei nicht von Repression betroffen.

An Aufarbeitung hat die Mongolei bis dato, immerhin 30 Jahre nach der „friedlichen Revolution“, durchaus einige Kenntnisse gewonnen, viele Fragen blieben aber offen. Die Suche nach Verantwortungsträgern und Tätern war unbefriedigend, braucht mehr Forschung und besonders mehr Zugang zu den Archiven. Man möchte diesbezüglich mehr v.a. von der Demokratischen Partei erwarten, die aber bislang darauf warten ließ, auch in Zeiten ihrer Regierung. Vor allem bedürfte es statt einer staatlichen einer unabhängigen, zivilen Untersuchungskommission, die einen gesamtgesellschaftlichen Prozess für alle zufriedenstellend fortsetzt.

5. Sozialwirtschaftliche Auswirkungen des Sozialismus  

Die „vorsozialistische“ Wirtschaft der Mongolei war grundsätzlich nomadisch, mit einer Urproduktion auf Basis von Nutz-, Reit- und Lasttieren, doch waren auch handwerkliche Kenntnisse durchaus hoch entwickelt und weit verbreitet. Sehr wichtig war auch die Herstellung von Waffen und militärischer Ausrüstung, berühmt wurden der Steigbügel, die Waffen der Bogenschützen, aber auch kunsthandwerkliche Fertigkeiten in Weberei und Stickerei, Leder- und Holzverarbeitung, Malerei, Schnitzerei, Modellierarbeiten und nicht zuletzt die Metallverarbeitung (Schmieden, Bronzeguss) sind bemerkenswert. 

Mit dem Sozialismus etablierte sich eine vollkommen neue Wirtschaftsordnung. Sie brachte Kollektivierung, Wirtschaftskommandos und Produktionszwang, aber auch viele technische Neuerungen, soziale Innovationen und vor allem ein nicht nur für die Mongolei bemerkenswertes Schulwesen. Die nomadische Bevölkerung setzte der neuen kommunistischen Führung keinen Widerstand entgegen, aber die Durchsetzung neuer politischer und ökonomischer Grundsätze – vor allem die Kollektivierung – brauchte lange Zeit, da organisatorische Strukturen fehlten. Die Bevölkerungsdichte war ja verschwindend gering (und ist es in den meisten Landesteilen bis heute). Die Verfassung von 1924 brachte die Verstaatlichung von Land, Weiden, Wasser und Bodenschätzen, es kam zur Annullierung aller Schulden gegenüber ausländischen Händlern (besonders Chinesen), das private Geldverleihsystem wurde abgeschafft und zugleich die erste mongolische Währung (der Tögrög) eingeführt. Mit der Mongolbank entstand 1924 auch die erste staatliche Bank, und der Staat zog das Außenhandelsmonopol an sich. Auch die wirtschaftliche Macht der Klöster wurde gebrochen. Gleichzeitig entstanden erste Industriebetriebe, zur Verarbeitung von Bodenschätzen und Agrarprodukten. 

In den 1930er Jahren wurde sodann das Eigentum von mehr als einem Drittel aller Haushalte konfisziert und neu verteilt. Als Reaktion darauf schlachteten die betroffenen Viehzüchter sieben Millionen Tiere. Dies und das Faktum, dass die neu gegründeten Kooperativen nicht wie gewünscht funktionierten, führten 1931/1932 zu einer Hungersnot und zu einer Rebellion. Ein Bürgerkrieg konnte gerade noch verhindert werden. Die „Revolutionierung“ des Wirtschaftssystems ging von nun an langsamer vor sich. Doch erst einige Jahre nach dem 2. Weltkrieg (etwa ab 1958), gehörten praktisch alle nomadischen Haushalte zu einer Kooperative („Negdel“, mongol. für „Einheit“). Es wurden verbesserte Methoden der Weidewirtschaft eingeführt, und auch relativ große Flächen in den Flußniederungen für den Anbau von Feldfrüchten (z.B. Gerste u.a. Sommergetreide, besonders auch Kartoffel) und auch für Gemüse urbar gemacht. Es entstanden Industriebetriebe für die Verarbeitung von Wolle, Fleisch und Holz und zur Getränkeerzeugung, und besonders wichtige Entwicklungsschritte erfolgten in Richtung Energieversorgung durch den Bau kalorischer Kraftwerke. 

Ziemlich jung ist in der Mongolei auch die Verkehrsinfrastruktur. Zwar bestand schon kurz nach 1900 eine direkte Bahnlinie zwischen Tschita und Wladiwostok, doch bis zum 2. Weltkrieg führte noch keine Linie über mongolisches Territorium nach Peking. Lange Zeit gab es auch nur sehr wenige mit Motorfahrzeugen befahrbare Straßen. Transporte über Land erfolgten bis ins 21. Jahrhundert weit überwiegend im „Querfeldeinverkehr“, der auf den zumeist sanft geneigten Rumpfflächen fast überall im Land möglich und in weniger erschlossenen Landschaften nach wie vor üblich ist.

Bis zum Ende der stalinistischen Ära war die Mongolei „de facto“ eine „Sozialistische Sowjetrepublik“, in der Maßnahmen und Übergriffe der Staatsdiktatur den Vorgängen in anderen sowjetischen Satellitenstaaten um nichts nachstanden. Ungeachtet dieser aber kann und muss auch von positiven Errungenschaften sozialistischer Politik gesprochen werden, die der Mongolei zugute kamen. Dazu gehören folgende:    

  • Mit sowjetischer Hilfe gelang 1945 die Sicherung der staatlichen Unabhängigkeit; eine Volksabstimmung erbrachte damals ein mit 100% einstimmiges (!) Ergebnis ohne Gegenstimmen, bei einer Beteiligung von 98,5% der Stimmberechtigten); das Ergebnis dieser Abstimmung wurde von China 1946 anerkannt.   
  • Umfangreiche „Sozialistische Entwicklungshilfe“ in den Naturwissenschaften, einschließlich des Aufbaus eines modernen Unterrichts- und Forschungswesens; Entwicklung medizinischer Kenntnisse, Ausbildung von Ärzten und Fachkräften des Gesundheitswesens an sowjetischen (Hoch-)Schulen, dazu die Organisation eines territorialen Systems der gesundheitlichen Versorgung in den neugebildeten Verwaltungseinheiten; Verbreitung von technischen Einrichtungen, infrastruktur-ellen Anlagen samt den zugehörigen Fachkenntnissen; vor allem die „Technisierung“ verschiedenster Art veränderte vieles im Land grundlegend.  
  • Mit den neuen territorial-administrativen Einheiten (Aimags, Somons) entstehen bis dahin unbekannte Einrichtungen in allen Regionen: öffentliche Ämter und Dienste, Infrastrukturen (Straßen, Stützpunkte, Tankstellen, Brunnen, elektrische Leitungen), Versorgungs- und Gesundheitseinrichtungen, Hilfsdienste und Betriebsstätten).  
  • Die kollektivierte Nomadenwirtschaft wird durch Landtechnik und den Einsatz von Agrarchemie ergänzt; dazu entstehen Einrichtungen zur Verarbeitung, für welche die UdSSR Anlagen und Ausrüstungen bereitstellt („Agrarindustrielle Komplexe“, Fleischkombinate, Textilfabriken), und es entstehen Musterbetriebe (z.B. Staatsgut Bornuur); es werden Zuchtmethoden in Pflanzenbau und Viehhaltung eingeführt und  die Tiermedizin entwickelt; Methoden der Winterfutterbereitung (z.B. die Erzeugung von Silagefutter) und andere Arten von Vorratshaltung wurden zu Fixpunkten der „Kommandowirtschaft“.   
  • Es entstand ein vorbildliches Schulsystem: 1930 erfolgte der erste Unterricht für Nomaden und deren Kinder; ab 1940 werden die Grundschulen  8-klassig, später gibt es landesweit 10 Klassen; der Alphabetisierungsgrad der mongolischen Bevölkerung beträgt über 98%. 

Man kann also die zulässige Behauptung aufstellen, dass die abrupte Abwendung von den „sozialistischen“ Neuerungen so manchen Nutzen dieser Entwicklungen mißachtet hat, der aber heute fehlt. Völlig unverständlich ist, dass das Schulsystem nach 1992 als „volkswirtschaftlich nicht tragbar“ eingestuft wurde – die Folgen dieser Haltung sind auch schon manifest geworden – und bei Abschaffung der politischen Kommandos in Wirtschaftsabläufen wäre insbesondere im nomadischen Raum des Staates eine ganze Reihe von kollektiven Strukturen und Maßnahmen auch heute noch hilfreich (Hilfs- und Gemeinschaftsdienste, Krisenvorsorge, Formen der Vermarktung u.a.m.).        

Anderseits muss gesagt werden, dass für die Sowjetunion in erster Linie wohl die Ausbeutung von Rohstoffen und die Lieferung von Lebensmitteln interessant waren. Eine Verarbeitung im Land wurde lange Zeit vernachlässigt, denn leistungsfähige Industrien für Baustoffe, Metallwaren, Lebensmittel entstanden erst nach 1945. Immerhin aber entstand neben der nomadischen Viehwirtschaft auch eine Landwirtschaft nach sowjetischem Muster, die angesichts der Grenzertragsbedingungen im ganzen Land doch ein beachtliches Produktivitätsniveau erreichte (bei Kartoffeln, Getreide und Milch, daher auch bei Mehl und Milchprodukten). 

6. Die neuen administrativen Strukturen der Mongolei 

Auf dem Staatsgebiet der Mongolei treffen einmalige naturräumliche Besonderheiten zusammen, von denen die meisten mehr als Nachteile gewertet werden können, und nicht als Vorteile. Es ist ein Raum mit der Flächengröße von „Westeuropa“ (Spanien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland zusammen), auf dem etwas mehr Einwohner leben, als im europäischen Kleinstaat Slowenien, nämlich rund 3 Millionen. Mit dieser Zahl beträgt die Bevölkerungsdichte 2 Einwohner je km² – gegenüber der Zwischenkriegszeit hat sich dieser Wert also bereits verdreifacht.  

Karte 1: Die politisch-geographische Lage der Mongolei

Die Mongolei liegt zwischen zwei der flächenmäßig größten Staaten der Erde und hat,  außer mit Rußland und China, mit keinem weiteren Staat eine gemeinsame Grenze (Foto: Illustration 59954240 © Juan35mm/Dreamstime.com). 

Im ganzen Land herrschen marginale naturräumliche Bedingungen vor, generell bedingt durch die Seehöhe der Landschaften. In den südlichen wüstenhaften Regionen beginnt diese bei etwa 500 m, in den besser nutzbaren nördlichen Landesteilen jedoch erst bei 1000 m ü.d.M. Durch die Meerferne des Landes ist sodann auch die Kontinentalität des klimatischen Geschehens festgelegt, die in Zentralasien globale Extreme erreicht. So entspricht z.B. das mongolische Niederschlagsmaximum im „mittleren Nordern“ von 400 bis 450 mm p.a. dem Niederschlagsminimum in den Trockengebieten Österreichs. Für die Kontinentalität typisch sind auch extreme Schwankungen im Temperaturregime, die im Jahresgang zwischen +30 und –40°C liegen, zwischen Tag und Nacht bis zu 30°C erreichen können. Und nicht zuletzt sind auch Witterungsextreme wie Schichtfluten durch Starkniederschläge, Katastrophenwinter mit Temperaturminima plus hohe Schneelagen, mehrjährige Niederschlagsdefizite oder Staubstürme keine Seltenheit. 

Die Reichtümer des Landes sind in erster Linie wohl seine Naturschönheiten zwischen Hochgebirgen und Ebenen der Steppen und Wüsten samt ihrer einzigartigen Pflanzen- und Tierwelt. Ein zweiter vorteilhafter Bereich sind die Bodenschätze der Mongolei,  von denen behauptet wird, dass einerseits das gesamte Spektrum der chemischen Elemente in den geologischen Formationen des Untergrundes vorkommt, und anderseits  von diesen etwa ein Drittel auch abbauwürdig sind. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht auch die seit geraumer Zeit vor sich gehende „Erschließung der Anökumene“ in vielen Regionen der Mongolei, die auf der Nutzung zahlreicher Bergbauschätze, von Mineralien, Bunt- und Edelmetallen, seltenen Erden, Erdöl- und Kohlelagerstätten, ja sogar Uranvorkommen gründet.  

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das damalige Gebiet der Äußeren Mongolei in fünf Khanate gegliedert und diese weiter in Banner unterteilt. Nach der mongolischen Unabhängigkeitserklärung von 1921 blieb die bestehende administrative Einteilung innerhalb der neuen Mongolischen Volksrepublik zunächst erhalten. Nach dem Ende des Russisch-Japanischen Krieges 1941 erfolgte eine administrative Reorganisation, welche zur Abgrenzung von Provinzen genannt „Aimags“ führte, die ihrerseits weiter in die Verwaltungsbezirke der Sums (oder Somons) untergliedert wurden. 1954 fiel ein langer Streifen der südlichen Gobi an China zurück. Die Einteilung in der verbleibenden Mongolei wurde daraufhin noch weiter differenziert, teilweise auch umbenannt, und 1963 wurde aus Ulaanbaatar eine eigenständige Verwaltungseinheit. Den gleichen Status erhielten auch die neu gegründeten Industriestädte Darchan und Erdenet. 

Die Republik Mongolei ist seit den kommunistischen Administrativreformen in 22 Regierungsbezirke oder „Aimags“ (inkl. Hauptstadtdistrikt) und 331 Kreise, genannt „Sums“ oder „Somons“, untergliedert. Aimags, mongolisch für Stamm oder Stammesgruppe, bilden die 1. Ordnung der regionalen Verwaltungshierarchie. Je nach Größe des Aimag bilden 13-27 Somons eine solche Einheit. Territorial betrachtet entspricht die mittlere Größe etwa der Staatsfläche von Österreich, bei einer Schwankung zwischen 41.000 und 165.000 km² (ohne Stadtaimags). Die Bevölkerungszahl der Aimags schwankt zwischen 17.000 bis 130.000 Einwohnern, die Hauptstadt Ulaanbaatar hat derzeit etwa 1,400.000 Einwohner. 

Karte 2: Aimaggliederung der Republik Mongolei, Stand 2016

Tabelle 1: Bevölkerungsentwicklung in den Aimags 2000-2018

Quellen: Zensus vom 5. Jan. 2000 und Schätzung vom 31. Dez. 2018

Erklärung der Farbstufen in Tabelle 1:

Die 2. Ordnung der Verwaltungseinheiten bilden die Sums oder Somons. Ihre Fläche beträgt im Durchschnitt etwa 4.200 km², das entspricht vergleichsweise der Größe eines kleineren österreichischen Bundeslandes (z.B. Burgenland); die Bevölkerung allerdings umfasst im Mittel lediglich etwa 5.000 Personen. Die Somons waren nach dem System der mongolischen „Negdel“-Kooperativen zugleich auch „Kollektivierungseinheiten“, die im Grunde nach dem Prinzip der Kolchosen ausgerichtet waren. Wirtschaftliche wie auch soziale, medizinische und schulische Einrichtungen waren in diesen räumlichen Einheiten organisiert. 

Jeder Somon ist noch weiter in sogenannte Baghs unterteilt (landesweit insgesamt an die 1.500), die in Anlehnung an europäische Vorstellungen meist mit Gemeinden verglichen werden. Die meisten Baghs sind reine verwaltungstechnische Einheiten, viele ohne eigentlichen Siedlungskern, daher in vielen Fällen auch ohne eigentliche kommunale Einrichtungen. In den Baghs leben und wirtschaften, je nach regionalen Unterschieden, jeweils zwischen 30 und 100 Viehzüchterfamilien („Ails“ oder Familienclans). Die Verwaltung und Führung der Geschäfte eines Baghs obliegt einem „Bagh-Gouverneur“.  

Karte 3: Gliederung der Mongolei in 331 Somons

Die Karten 2 und 3 werden von Wikipedia gemeinfrei zur Verfügung gestellt. Dargestellt sind lediglich Gebietseinheiten der Aimags und Somons in Trennfarben, sowie Seen tiefblau.

7. Die Folgen der Wende 1990 

Nach 1989 kommt es auch in der Mongolei zu grundlegenden politischen Änderungen, als Protestdemonstrationen zum Ende der Freundschaft mit der UdSSR und 1990 zur Ausrufung der „Republik Mongolei“ führen. Das Land wählt nun einen Übergang zu Demokratie und westlichen Grundwerten, und ihre Verfassung wird 1992 demokratisch festgelegt. Die Politik orientiert sich dabei an den politischen Systemen der Staaten Deutschland und Frankreich, die als (neue) Vorbilder gelten. Es kommt zur Einführung  eines Einkammerparlaments mit 76 Sitze, die Wahlen laufen zuerst nach einem Verhältniswahlrecht ab, seit 2016 jedoch nach einem Mehrheitswahlrecht in Einerwahlkreisen.5

Mit der neuen politischen Ausrichtung kommt es auch zu einem abrupten Übergang zur liberalen Marktwirtschaft. Bei unvorbereitet und vollkommen geöffneten Märkten geht der nationale Erzeugungssektor nahezu zugrunde. Die naturräumlich bedingten oder auch traditionell bestehenden Hindernisse einer effizienteren Wirtschaftsentwicklung dauern an. Vor allem die Abhängigkeit von Rohstoffexporten ist groß, das Schwergewicht der Außenbeziehungen des Handels verfestigt sich mit 85% in Richtung China, und unter liberalen Bedingungen verteuert die weithin unangepasste Infrastruktur noch dazu die Transporte. Vor allem aber wirkt sich die Auflassung auch vieler positiver Neuerungen des Sozialismus negativ aus. Kollektive Strukturen werden aufgelöst, doch zunächst einmal gibt es keine Nachfolgeeinrichtungen. Sehr rasch beherrschen Importe aus aller Welt praktisch alle Märkte, auch die Europäische Union liefert Fleisch – und das in ein Land, in dem traditionell kaum etwas anderes produziert wird. Ergebnis ist, dass die Viehbestände wie auch landwirtschaftliche Bodenerträge rapid zurückgehen. 

Durch die Umstrukturierung von Ämtern, Organisationen und Betrieben kommt es zur Entlassung von Arbeitskräften (Beamte, Arbeiter), die von keinem sozialen Netz aufgefangen werden. Da nach mongolischem Recht jeder Staatsbürger zur Ausübung der Viehweide berechtigt ist, kommt es zu einer „Reagrarisierung” in Form einer Überlebensbewegung von ca. 75.000 „ausgesteuerten” Familien, die die Selbsthilfe zur Subsistenzwirtschaft ergreifen, um überleben zu können. Da diesen „neuen Viehzüchtern“ jedoch ausreichende landwirtschaftliche Kenntnisse fehlen, kommt es leider auch zu großen Verlusten an Vieh und Ernten. Besonders schmerzlich macht sich in dieser Zeit das Fehlen der Wirtschaftskommandos und die Auflassung vordem funktionierender Kollektiveinrichtungen bemerkbar. Auch die Märkte waren zerstört und die Viehhalter in den Steppen isoliert, und gewiefte wie auch korrupte Händler und Marktfieranten benachteiligten die Nomaden durch aufgezwungene Niedrigstpreise. 

Es blieb nicht aus, dass sich auch die Land-Stadt-Unterschiede verstärkten und teilweise krass entwickelten, ja ein ausgewogener Lebensunterhalt, wie ihn der Sozialismus zu garantieren versuchte (wenn auch auf niedriger Stufe), wurde für viele unerreichbar. Die Erhaltung von sozialen Einrichtungen, darunter besonders der Schulen, wurde zunehmend schwieriger, und der Infrastrukturausbau und auch die Erhaltung von Einrichtungen und Anlagen überstiegen die eigenen sachpolitischen Möglichkeiten in zunehmendem Maß. In der jüngsten Zeit haben allerdings massive chinesische Wirtschaftsinteressen, die ja nicht neu sind, zu einer Reihe von bedeutenden Erschließungs- und Ausbauprojekten geführt, was aber gleichzeitig auch die wirtschaftspolitische Abhängigkeit des Landes vom übermächtigen Nachbarn im Süden weiter verstärkt. 

8. Wo steht die Mongolei heute? – Ein „Schlußwort“

Die ungeheuer wechselvolle Geschichte der Mongolei ist seit einer Generation in eine neue Phase eingetreten. Das mongolische Volk und seine politischen Führer haben bisher schon viele Anstrengungen und Mühen auf sich genommen, um nach 70 Jahren Diktatur als demokratische und liberale Gemeinschaft zu einer neuen Identität zu finden. Die Voraussetzungen dafür – und auch ausreichende Ressourcen – sind dazu ganz offensichtlich vorhanden, aber es gibt ohne Zweifel auch noch viele Hindernisse dorthin, die überwunden werden müssen. Diese Punktuation will die vordringlichsten Fragen und Probleme, mit denen das Land heute – und auch morgen – zu tun hat, abschließend zusammenfassen: 

  • Die Mongolei hat den Ruf als demokratisches Land in Zentralasien, doch in Anbetracht der Verhältnisse in den beiden benachbarten Riesenstaaten sind Sorgen sicherlich nicht unberechtigt, inwieweit dieser Ruf gefestigt ist und es auch bleiben wird. In diesem Zusammenhang erhebt sich auch die Frage nach der tatsächlichen Unabängigkeit der Justiz, und ob ein Vorfall wie der des Todes einer angesehenen Richterin während der Untersuchungshaft (im Februar 2019) ein bedauerlicher Zufall war, und nicht mehr. Eine manifeste Tatsache allerdings ist in der Mongolei die wohl auf allen Ebenen verbreitete Korruption. 
  • Hindernisse der Wirtschaftsentwicklung dauern an, dazu trägt einerseits die extreme Abhängigkeit von Rohstoffexporten bei, begleitet von der gleichzeitigen Dominanz des größten Abnehmerstaates (85% gehen in Richtung China). Dazu kommen die Auswirkungen der unangepassten Infrastruktur (wie etwa das Problem der Bahnspur nach China), welche Lieferungen verteuert und möglicherweise auch mittelfristig nicht lösbar ist, denn die Kosten für effiziente Verbesserungen werden (derzeit) auf 45 Mrd. € geschätzt.   
  • Das zuletzt wiedergewonnene Wachstums im Primärsektor ist grundsätzlich positiv, die Inlandsversorgung wurde wesentlich verbessert (bes. Getreide und Kartoffel), wiewohl das Niveau von 1990 noch nicht erreicht ist. Bedenklich aber ist der in den letzten Jahren zwischen 60 und 70 Mill. Tieren schwankende Viehbestand, der auf eine Summe von etwa 100 Mill. „Schafeinheiten” geschätzt werden kann, für die aber nur Weideland im Umfang von rund 55 Mill. Schafeinheiten verfügbar ist. Allerdings könnte die Inwertsetzung der agrarischen Ressourcen durch planmäßige Maßnahmen durchaus und wesentlich gesteigert werden. Diese sollten darin bestehen, Agrarbetriebe an geeigneten Standorten und in angepasster Größe als sesshafte – evtl. auch teilsesshafte – Betriebe zu entwickeln. Eine solche Art von „bäuerlichen“ Landwirten sollte in der Lage sein,  mit den Betriebsmitteln und dem Knowhow „unserer“ Familienbetriebe ausgestattet eine dauerhafte Grünlandwirtschaft nach kreislauforientierten Regeln zu betreiben. Sie wären ohne Zweifel in der Lage, die doppelte bis dreifache Menge der derzeitigen Milcherzeugung auf die mongolischen Märkte zu bringen. 
  • Die Hauptstadt der Mongolei ist ein Migrationsmagnet mit enormen Folgen. Ulaanbaatar wuchs in 40 Jahren von 270.000 auf rund 1,5 Mill. Einwohner, und die Stadtplanung steht vor kaum lösbaren Aufgaben, die wachsende Gerviertel, mangelhafte Infrastruktur, Verkehrsentwicklung und Umweltschäden – bei diesen allen voran die Luftverschmutzung darstellen. Wohl wird in den letzten Jahren besonderes Gewicht auf den Ausbau der Infrastruktur gelegt und allein in etwa 10 Jahren entstanden mehr Straßenkilometer als in 70 Jahren davor – doch der Verkehr ist nur einer der defizitären Sektoren. Ob allerdings hypermoderne Stadtplanung wie etwa die der ehrgeizigen „Maidar City“ als Gegenentwurf zur bisherigen Entwicklung, für die v.a. Plattenbauten und Elendsquartiere repräsentativ sind, auch nur irgendwie reüssieren kann, bleibt abzuwarten.  

9. Quellen (Auswahl)

Hans Bobek: Die Hauptstufen der Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung in geographischer Sicht. Die Erde, Jg. 1959, S. 259-298. 

Michael Dillon: Lesser dragons: Minority peoples of China. Reaktion Books, London 2018.

Jürgen Hartwig: Die Vermarktung der Taiga. Erdkundliches Wissen, Band 143, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2007. 

Daniel Schmücking und Raffaela Helf: Die Aufarbeitung hat begonnen. Politische Verfolgung in der sozialistischen Mongolei. Länderbericht Mongolei, hg. von der Konrad Adenauer Stiftung e.V., Januar 2017.   

Zusätzliche Informationen zu den Schlagwörtern „Innere Mongolei“, Transsibirische“ und „Transmongolische  Eisenbahn“, „Vertrag von Kjachta“ in online verfügbaren Enzyklopädien („Wikipedia“, „Mongoleionline“, „Munx-Tenger“) wurden quellen-kritischen Erwägungen unterzogen.

wHR Dr. Franz Greif studierte Sozialgeographie und Geologie an der Universität Wien und arbeitete während seiner Studienzeit als Werkstudent am Institut für Raumplanung. Seine Berufslaufbahn begann an der Universität Wien (1965-72), wurde fortgesetzt im Forschungsinstitut Ländlicher Raum (1972-74), und er stand von 1974 bis 2005 im Dienst des Agrarwirtschaftlichen Instituts des BMLF (ab 1982 die Bundesanstalt für Agrarwirtschaft), einer angewandten Forschungseinheit des Agrarressorts der Republik Österreich. Dort leitete er die Abteilung für Agrarpolitik und Regionalforschung und vertrat darüber hinaus die Anstalt in zahlreichen nationalen und internationalen agrarpolitischen Gremien und weiteren Organisationen.

Über die Tätigkeit als Assistent an der Lehrkanzel für Sozialgeographie der Universität Wien (1966 bis 1972) und als Mitarbeiter der „Arbeitsgemeinschaft Ländlicher Raum” (1972 bis 1974) fand er den Weg zur Agrarraumforschung. An der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft war er ab August 1974 als Sachbearbeiter tätig und erarbeitete zahlreiche Entscheidungsgrundlagen für die Bundesagrarpolitik in Österreich. Insbesondere die Lösungsmöglichkeiten bei Bodennutzungskonflikten im Kontaktbereich zwischen Stadtentwicklung und Landwirtschaft oder auch auf den Konfliktfeldern zwischen Landwirtschaft und Tourismus waren Themen seiner angewandten Forschung. Dr. Greif war über mehrere Jahrzehnte auch Lektor für Agrargeographie und Agrarmarktpolitik an den Instituten für Geographie der Universitäten in Wien und Klagenfurt.

Ab 1988 hatte er die Leitung der Abteilung für Agrarpolitik, Landsoziologie und Regionalforschung der Bundesanstalt inne, und etwa ab 1985 arbeitete er als Koordinator der agrarökonomischen Fachpartnerschaften der Bundesanstalt in Mittel- und Osteuropa mit zehn offiziellen (und weiteren) Forschungspartnern (meist agrarökonomischen Staatsinstituten) zusammen. Als Koordinator der agrarökonomischen Forschungskontakte der Bundesanstalt in Mittel- und Osteuropa sowie auch als Mitglied der OECD-Arbeitsgruppe „East-West relations in agriculture“ in Paris bekam er Kontakt zur Mongolei, der mit der Versetzung in den Ruhestand ab 2006 laufend intensiver wurde.

Fußnoten

  1. Der Personenname Tschinggis Khans []
  2. Als Quelle für diese Darstellung dienten in erster Linie die Ausführungen zur Ereignis- und Sozialgeschichte der Mongolen in Jürgen Hartwigs Buch „Die Vermarktung der Taiga“, Kap. 6.1. []
  3. Darunter ist die Oberhoheit eines Staates über einen anderen zu verstehen, der über eine begrenzte, nur unvollkommen ausgebildete Souveränität verfügt. Die Begriffsbildung geht auf staatsrechtliche Sachverhalte im Mittelalter zurück, als bei bestimmten Großreichen (der Osmanen, der Mandschu oder der Mogulen) die Ausübung der Staatsmacht beschränkt blieb, begründet durch den geringen Organisationsgrad und langsame Kommunikationswege. In der Regel gehörte dazu die ökonomische Ausbeutung (Einhebung von Tributen u.a. Abgaben) und die Bereitstellung von Menschen und Sachmitteln für militärische Konflikte. []
  4. Diese umfassten das Recht des zollfreien Handels, freien Kauf und freie Pacht von Böden, auch freie Viehweide und Wiesennutzung, das Recht des Fischfangs und der Jagd u.a.m.). Später nannte Lenin die Unterstützung der nationalen Bewegung der Mongolei die „zärtliche Umarmung durch Russland“. []
  5. In Einerwahlkreisen erfolgt eine „relative Mehrheitswahl“ nach dem Prinzip, das Wahlgebiet (z.B. den Staat Mongolei) in so viele Wahlkreise einzuteilen, wie Abgeordnete zu wählen sind. []